Lasowiacy – Region und Leute
Der grosse Wald auf dem einst flachen Land zwischen Weichsel und San, welches sich in einem breiten Gürtel durch das linke Ufer des San erstreckt, der sogenannte Wald von Sandomierz, beherbergt eine Bevölkerungsgruppe namens «Lesioki» Die geologischen Prozesse, welche diese Region geprägt haben, dauerten lange, waren langsam und oft gehemmt von anderen Natureinflüssen. Waldgebiete waren im frühen Mittelalter eine natürliche Grenze zwischen dem Reich der polnischen und ruthenischen Fürstentümer. Die Erde war hier aufgrund der natürlichen Bedingungen den Siedlern eher feindlich gestimmt, trotzdem war sie für beide Nationen ein guter Stützpunkt für geplante Eroberungen. Aus diesem Grund wurde der Boden bis zum vierzehnten Jahrhundert von Hand zu Hand weitergegeben, bis er schliesslich in den Besitz des polnischen Königs Kasimir dem Grossen kam. Doch die vorherrschenden harten Bedingungen und König Kasimirs schlechte Bewirtschaftung machten es für die Bevölkerung unmöglich, sich hier anzusiedeln und von der Landwirtschaft zu leben.
Wir müssen uns vor Augen halten, dass der nicht zugängliche dichte Wald oft mit Sümpfen und Feuchtgebieten versehen war, unberechenbare, wilde Flüsse ihren Weg durch die Landschaft bahnten, mehrmals pro Jahr ihre Flussläufe änderten und in Zeiten erhöhten Niederschlags oder in der Schneeschmelze kilometerbreite Teile überschwemmt wurden. Die Erde hatte somit eine schlechte Qualität. Auch die Kommunikation mit anderen Gebieten und Wirtschaftszentren war sehr schwer, weshalb Bauern nicht interessiert waren, sich in dieser Region niederzulassen. In diesen frühen Tagen der Siedlung im besagten Waldgebiet besiedelten somit meist aufständischen Bauern und Flüchtlinge die Region, die nach Freiheit strebten oder in den Wäldern Schutz vor Leibeigenschaft suchten.
Die Siedlung wurde entlang der fruchtbaren Täler der grossen Flüsse Weichsel und San errichtet. Die wenigen Siedler, die sich in den Tiefen des Waldes ansiedelten, wurden fast von der Welt abgeschnitten, da sie fast ausschliesslich von natürlichen Ressourcen der Wälder und von heimischen Gewässern lebten. Neben dem Fischen und der Jagd war in erster Linie die Bienenzucht leistungsstarker, in Bäumen lebender Bienen wichtig. Die Siedler beschäftigten sich auch mit der Verarbeitung von Eisenerz und allen Arten der Holzverarbeitung, auch mit der Produktion von Teer und brennender Holzkohle. Im Laufe der Zeit verringerte die übermässige Ausbeutung der Waldressourcen die vorkommenden Tierarten markant, während das Land langsam fruchtbarer wurde. Es wurde für die Siedler von nun an notwendig, sich mit der Landwirtschaft und der Tierhaltung auseinanderzusetzen.
Auch Bauern aus anderen Gebieten des Landes bewohnten die abgeholzten Waldflächen. Interessiert an der Besiedlung waren sie vor allem aufgrund der Politik des Königs, welcher Eigentum von privat bewirtschafteten Landesteilen versprach. Durch die Schaffung von günstigen Bedingungen und zahlreichen Privilegien, wie der Abschaffung des Frondienstes, versuchten die Bauern die die Prozesse der Waldsiedlung zu verbessern. Noch immer gehörten zu den Siedlern auch Kriegsgefangene der zahlreichen Kriege, welche im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert von Polen geführt wurden.
Das neunzehnte Jahrhundert war wiederum eine Periode der Intensivierung der organisierten Ansiedlung von Menschen mit deutschem Sprachhintergrund, die sogenannte Josephine Kolonisation. Diese wurde von Kaiser Joseph II organisiert mit dem Ziel, die nach der Teilung Polens von Österreich erworbenen Landesteile zu verdeutschen. Die Wälder von Sandomierz wurden zu einem Ort, an dem viele Nationen miteinander lebten. Prozentual am zahlreichsten vertreten waren polnische Landsleute aus der übervölkerten Region Masowiens, der westlichen Region Malopolska sowie Russen, Tataren, Schweden, Litauen, Italiener und Deutsche. Die Annäherung all dieser Nationalitäten brachte eine Gruppe gebildeter Menschen hervor, welche sich wirtschaftlich und kulturell von anderen Bevölkerungsgruppen unterschied. Die selbstgewählte Bezeichnung „Lesioki“, weist auf ein hohes Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl der Gruppe hin. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde der Name „Lasowiacy“ zur Klassifizierung der ethnographischen Gruppe in die Literatur eingeführt.
Die Teilung Polens unter den Nachbarländern Europas am Ende des achtzehnten Jahrhunderts teilte die Gruppe in zwei Teile: das Land westlich des San liegend wurde ein Teil von Galizien, das Land auf der Ostseite des Flusses wurde Russland zugeteilt. Da die Grenze streng bewacht wurde, gegenseitige Kontakte fehlten und die Gruppen sich somit verschiedenen politischen Zentren zuwandten, Differenzierten sie sich zunehmend wirtschaftlich und kulturell voneinander. Manche Forscher sprechen deshalb von zwei verschiedenen ethnischen Gruppen auf beiden Seiten des San.
Es ist nicht leicht, eine ethnographische Gruppe zu charakterisieren, die ein so grosses Gebiet bewohnt und in zahlreiche Untergruppen aufgeteilt ist, die sich auf den ersten Blick nur durch Kleidung oder Dialekt unterscheiden. Somit besteht die Gefahr einer falschen Beschreibung, die mit der Realität wenig zu tun hat. Trotzdem hoffen wir, dass es uns gelungen ist, Euch einen Einblick in das Land, die Leute und die Kultur der Lasowiacy zu vermitteln.
Lasowiacy – Die Tänze
Der Charakter der lasowiakischen Tänze ist teilweise an den Charakter zentralpolnischer Tänze angenähert. Ihr Merkmal ist die aufgerichtete Körperhaltung, elegante Bewegungen und ein rassiges Tempo. Zu diesen Paartänzen zählen die Hurra Polka, der Lasowiak, die „Cebulka“ (Zwiebel) sowie eine Gruppe von Tänzen basierend auf Traditionen von Rzeszow. Die „Polka ohne Bein“ tanzt man hier auf flachem Fuss. Trotz genauer Recherche wurden bislang keine weiteren, noch nicht beschriebenen Tänze dieser Region gefunden.
Hurra Polka
Eine charakteristische Eigenschaft der Hurra Polka unter vielen Polkas der Region Rzeszow ist ein schnelles voranschreiten mit grossen, flachen Schritten in einer offenen Umarmung, schnellen Umdrehungen der Tänzer zueinander und voneinander weg (kommt in keinen anderen Tänzen von Rzeszow vor) sowie das Strecken und Heranziehen der zur Seite ausgestreckten Arme. Teil der Vorwärtsbewegung ist zudem ein Sprung auf beide Beine. Der zweite Teil des Tanzes ist das Kreisen der Paare an einem Ort.
Cebulka („Zwiebel“)
Die Cebulka ist eine Art des Oberek, jedoch anders als üblich getanzt. Der erste Teil des Tanzes besteht aus einem Lauf im Kreis mit kleinen Schritten gleicher Länge. Der zweite Teil ist ein Kreisen an Ort und Stelle, in einer runden Umarmung des Tanzpaares.
Lasowiak
Der Lasowiak basiert auf einem Galopp-Schritt. Im Tanz vorkommend sind Händeklatschen und betonte Schritte. Der zweite Teil des Tanzes besteht genau wie bei der Hurra Polka oder der Cebulka in einem Kreisen an Ort und Stelle. Die Lasowiacy haben keinen Kollektivtanz. Einzig die Cebulka wurde häufig von Tanzleitern geführt, welche die Tanzpaare durch Anweisungen wie „rückwärts“, „Mühle“, „allgemein“ oder „jagen“ zur synchronen Ausführung der verschiedenen Tanzmotive animierte.